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31.05.98

1800 Kilometer freihändig 

Ein handelsüblicher Wagen findet den Weg alleine: Kamera, Navigationssystem und Computer ersetzen den Fahrer 

VON WALTER DE GREGORIO 

Forscher der Universität Parma haben ein Auto entwickelt, das ohne Fahrer auskommt. Morgen beginnt die einwöchige Testfahrt auf der klassischen Mille-Miglia-Strecke. 

Den Lancia Thema haben sie als Occasion gekauft, den Computer über den Ladentisch. Alles im ARGO, dem Wagen, der seinen Weg dank ausgeklügelter Software alleine findet, ist handelsübliche Ware. "Wir wollen zeigen, dass es keine Spitzentechnologie braucht, um Spitzenleistungen zu erzielen", sagt der 31jährige Projektleiter Alberto Broggi. Weniger als 25 000 Franken habe das Ganze gekostet - inklusive Autokauf. 

Zusammen mit zwei anderen Jungforschern der Universität Parma, den Ingenieuren Massimo Bertozzi, 32, und Alessandra Fascioli, 31, ist Broggi gelungen, was bisher nicht einmal James Bond schaffte: Musste der Superagent bei seinem letzten Einsatz den BMW noch fernsteuern, so findet Broggis Lancia den Weg auch, ohne dass ihm jemand die Richtung angibt. 

Ermöglicht wird dies durch zwei Kameras, die die Strasse beobachten, einen normalen PC (Pentium-MMX-Prozessor, 200 MHz), der aus den Bildern den Fahrbahnverlauf errechnet und einen Elektromotor, der am Lenkrad dreht. Die Forscher, die den Super-Lancia vergangenen Mittwoch der Öffentlichkeit präsentierten, haben ihren Wagen bereits auf kurzen Strecken getestet. 

Am Pfingstmontag nun folgt die einwöchige Hauptprobe. Die Forscher schicken ihren Wagen auf die klassische Mille Miglia. Rund 1800 Kilometer wird ARGO insgesamt zurücklegen. Broggi ist zuversichtlich: "ARGO kann auf Autobahnen sogar überholen." Ein Fahrer wird aus rechtlichen Gründen aber nach wie vor hinter dem Steuer sitzen müssen und im Notfall die Fahrt korrigieren. Die ganze Reise wird live auf Internet übertragen (http://millemiglia.ce.unipr.it). 

Beim Verlassen eines Tunnels braucht der Wagen eine Sonnenbrille 

Mühe bekundet der Autopilot vor allem auf nasser Fahrbahn und bei plötzlich wechselnden Lichtverhältnissen. Wenn der Lancia einen Tunnel verlasse, dann sei er oft wie geblendet, sagt Broggi. "Wir müssen ARGO technisch eine Art Sonnenbrille bereithalten, die er im gegebenen Moment aufsetzen kann." 

Ziel sei es nicht, sagt der Ingenieur, den Fahrer in Zukunft ganz zu ersetzen. "Wir wollen ein System entwickeln, das den Fahrer unterstützt und die Sicherheit im Strassenverkehr erhöht." So soll der Chauffeur, wenn es denn im Zukunftsauto einen braucht, wählen können zwischen vollautomatischem Pilot und manuellem Betrieb mit aktiver Unterstützung. In diesem Fall würde der Autopilot nur eingreifen, wenn der Fahrer hinter dem Lenkrad einnicken oder sich plötzlich unwohl fühlen würde. 

Dass durch eine solche aktive Fahrhilfe die Konzentration des Fahrers und die Sicherheit auf den Strassen eher ab statt zunimmt, verneint Broggi und verweist auf die Sicherheitskonzepte der vergangenen Jahre. Dieselben Bedenken habe es auch bei Einführung von ABS und Airbag gegeben. 

Das Problem sei vielmehr ein anderes, sagt Broggi, und er meint das, wie er betont, nicht als Witz. Der Autopilot könnte, falls er "in 10 bis 15 Jahren" ausgereift und markttauglich ist, an bürokratischen und versicherungstechnischen Hürden scheitern. Was passiert bei einem Unfall, bei dem nur Autopiloten beteiligt sind? "Und wem", fragt Broggi, "soll der Polizist eine Busse geben, wenn dereinst niemand mehr hinter dem Steuer sitzt?" 

Welch Probleme die Forscher doch haben! 


Die Technik für die Route 

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